[25.1] Dämonenarche Plagenbringer

Tagebuch des Oberin Sturmbund
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[25.1] Dämonenarche Plagenbringer
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Gespielt am: 17. Oktober 2020

Als Finjans und Oberins Bestrebungen Ordnung ins wimmelnde Chaos der Arche zu bringen in der ersten offiziellen Offiziersbesprechung gipfeln und man gerade beschlossen hat, Kurs auf Festum zu setzen, um dort Rat zu halten, gellt ein Schrei über das Deck: „Plagenbringer!“

Zu Dutzenden schwärmten Lederschwingen über den Himmel. Schon brandete die erste Welle über uns heran. Die vordersten Geschöpfe griffen sich zwei der vallusanischen Wachen, die gerade an Deck standen. Weitere jagten auf alle zu, die sich irgendwo hier oben außerhalb des Schiffsrumpfes befanden.

„Zu den Waffen!“, befahl der ewig tapfere Kapitän dem Sturm aus Zähnen, Klauen und ledernen Schwingen entgegen, der da über uns hinwegfegte, doch es war zwecklos. Hunderte der Dämonen waren bereits heran, unzählige mehr schon an den Himmel gestiegen.

„Unter Deck!“, rief ich. Finjan hatte derweil seinen Bogen gespannt und schoss einen Pfeil nach der Lederschwinge, die den Mann gegriffen hatte, der am nächsten zu ihm stand, doch der Pfeil ging ins Leere. Er legte einen zweiten an die Sehne, doch da wurde er von Kolokewski gepackt und trotz seiner Gegenwehr in die Kapitänskajüte gezerrt. Sonst war bereits keiner mehr zu sehen, nur der zweite Mann, den eine Lederschwinge in die Luft gerissen hatte, den anderen konnte ich bereits nirgends mehr ausmachen. Das war das letzte, das ich noch sah, ehe auch ich in den Schutz meiner Kajüte tauchte, und die Tür hinter mir zuschlug. Nicht zufällig war ich hier hereingesprungen. Zu Silberhardt wollte ich, denn es galt, die Arche so schnell wie möglich von hier fort zu schaffen. Mit der Plagenbringer konnten wir es jetzt nicht aufnehmen. Noch bevor ich das Bett erreichte, in dem Silberhardt geschlafen hatte, stand er bereits daneben und fragte: „Was ist los?“

„Die Plagenbringer hat uns gefunden. Du musst uns hier fortschaffen!“

Mit einem Satz war er an der Tür. Kaum, dass er sie aufgerissen hatte, schmetterte ihm bereits ein ledriger Flügel entgegen und er schlug die Tür wieder zu. „Was war denn das?“

„Lederschwingen, sie schwärmen über das ganze Schiff.“ Es fällt mir immer noch schwer, dieses Biest, auf dem wir reiten, nicht als Schiff zu bezeichnen.

Silberhardt jedenfalls spurtete zur anderen Tür, nahm den Verbindungsgang zur Kapitänskajüte, wo Kolokewski immer noch den Kapitän daran hindern musste, wieder hinaus zu stürmen. Ich gewährte ihm ein paar beipflichtende Worte, bevor ich hinter Silberhardt her nach oben sprintete und im Blauen Raum diesmal tatsächlich die Treppe vorfand, die Finjan dort beschrieben hatte, und sie führte mich hinauf, hinauf … zu dem wohl verstörendsten Geschöpf, das mir auf meinen Reisen begegnet war. Ich erblickte zum ersten Mal den Steuerbaum der Arche. Zunächst sah ich nur seine blühende, lebendige Seite mit der bleichen, leidenden, zarten Frau darin. Aber dann hörte ich diese unsägliche Stimme und wie ich zu Silberhardt trat, erblickte ich sie, die üppig frohlockende Xyleste umgeben von diesem toten Gehölz, das ihr Fleisch aufsog und sich verdorrt um ihren weiblichen Leib ringelte.

Der Anblick des Steurbaums machte mich fassungslos. Nicht, weil er so abscheulich widerwärtig und ekelerregend war, welche Verderbtheit eine solche Wesenheit überhaupt geschaffen haben mochte, deren Grauenhaftigkeit kaum zu ermessen war, sondern auch weil es den Göttern Hohn sprach, welch blühend verdorbene Weiblichkeit aus diesem Verfall erwuchs und mit welch betörender Gaukelei von Lebenskraft das unsagbare Leid dieser Existenz bemäntelt wurde. Alles Dämonische, was ich zuvor erblickt hatte, war schlicht verdreht, entstellt und grausam. Nun aber lehrte mich der Steuerbaum etwas Neues über das Dämonische. Es war facettenreich, nicht nur abscheulich, sondern bezaubernd, wie es die Blume des Feuers für das Kind ist, das staunend betrachtet, wie sein Elternhaus um es herum niederbrennt. Den Geruch des Todes ließ mich dieser Baum erblicken, doch war es der süßliche Duft der Verwesung, der die Sinne benebelt und die Augen mit Blindheit schlägt.

Von hier oben hatte man eine komplette Rundumsicht über die Arche und die Blutige See. Ich erblickte die riesigen Schwärme der Lederschwingen und ganz in der Ferne die ungeheure Silhouette der Plagenbringer. Nun aber wandte sich die Arche um, und lief wieder los, fort von dem Monstrum an unseren Fersen. Wie eine Spinne wuselte es über das Wasser, aber ich hatte keinen Sinn dafür, deswegen ein ungutes Gefühl zu empfinden. Ein paar Worte waren zwischen Silberhardt und mir gewechselt worden. Ich vermochte mich bereits nicht mehr daran zu erinnern, was gesagt worden war. Mein Bruder war bereits hinunter gegangen. Nach einem Moment wandte auch ich mich zur Treppe. Xyleste sagte irgendetwas. Unwillkürlich krampfte sich meine verdorrte Hand zusammen. Vor der obersten Treppenstufe war ich stehen geblieben, zwang mich nun, meinen Fuß darauf zu setzen, und hinab zu steigen.

Erst beim Anblick des Steuerbaumes war mir klar geworden, welch entsetzliches und gefährliches Geschöpf die Dämonenarche wirklich war. Wir alle hatten sie bei Weitem unterschätz. Unser neues Zuhause war ein Monstrum.

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