Gespielt am: 14. September 2019
Während einer Rast vor einer großen Lichtung im wuchernden Dschungel, die über und über mit mannshohen Farnen bewachsen ist, muss Oberin des verweigernden Finjans Führungsrolle einnehmen. Zornig auf seinen Gefährten gibt er kurz vor dem erneuten Aufbruch sein Bestes, um den Mannschaftsgeist wieder etwas zu heben. Und dann tauchen sie in den Farn ein…
Doch der Farn verschluckte uns augenblicklich. Das Gefühl der Bedrohung war allgegenwärtig, der Eindruck, beobachtet zu werden, übermächtig. Wir waren noch nicht all zu weit gekommen, als wir Bewegungen im Farnfeld auszumachen glaubten. Wir zogen die Waffen, aber es war schon zu spät. Wieder hatten wir einen Fehler begangen, weit schlimmer als die Beeren. Diesmal schlug der Dschungel zu.
Geron muss so etwas gerufen haben wie: „Das ist kein Farn! Lauft um euer Leben!“
Keiner stellte Fragen, alle rannten einfach los so schnell sie konnten, wobei wir uns in dem dichten Riesenfarn einer nach dem anderen aus den Augen verloren. Die unwirkliche Bedrohung des Dschungels, die wir nicht einmal sehen konnten, kam hinter uns her. Wir rannten tatsächlich um unser Leben, aber ehe der Farn hinter uns lag, versagten mir die Kräfte. Ich stürzte zu Boden und wurde ohnmächtig. Gleich darauf brachte mich ein entfernter Schrei zur Besinnung. Ich rappelte mich hoch, lief in Richtung des Schreis. Dabei entdeckte ich Gräser, die an meiner Hand klebten. Ich wollte sie wegwischen, doch es ging nicht. Ich musste sie herausreißen, denn dieses Gras war mir in die Haut gewachsen. Der Dschungel schlug endgültig seine Wurzeln in mich.
Gleich darauf stieß ich auf Finjan. Wir beschlossen, das Feld zu verlassen, und zu sehen, ob die Anderen es hinaus geschafft hatten. Die Bedrohung, die uns verfolgt hatte, war nicht weg, aber irgendwie schien sie von uns abgelassen zu haben. Unterwegs stießen wir nach und nach auf die übrigen Expeditionsteilnehmer. Es stellte sich heraus, dass wir mehr oder minder alle dieses aggressive Gras auf uns gefunden hatten, nachdem wir aus unserer erschöpften Ohnmacht erwachten. Und dann fanden wir Sari Treublatt.
Sie war ein schauderhafter Anblick, denn sie hatte es weit schlimmer als jeden anderen von uns getroffen. Das Gras hatte sie über und über überwuchert. Womöglich war deshalb dieses Gefühl unmittelbarer Gefahr verschwunden gewesen. Der Dschungel hatte sein erstes Opfer erwählt und seine grausame Wahl war auf die zarte Sari Treublatt gefallen. War es Bosheit oder versteht der Dschungel das unter Gnade? Aber diese Frage schießt mir erst jetzt durch den Kopf.
Wir hoben Sari auf und trugen sie ein Stück mit uns, doch das Feld schien kein Ende zu nehmen und wir waren alle wieder versammelt, also riskierten wir es, inmitten des Farns anzuhalten, um der verwirrten Sari eine Rast zu gönnen. Sie hatte noch gar nicht begriffen, was geschehen war. Wir warfen einen zweiten Blick auf sie, aber nur weil keiner es wahrhaben wollte, was schon auf den ersten Blick ersichtlich war. Wir alle hatten den Schmerz gefühlt, den es verursachte, das Wurzelgeflecht aus der Haut zu reißen, und Sari war unter dem Gras kaum mehr zu erkennen. Sie fing an, zu weinen, als sie unsere Blicke sah, und keiner etwas sagen mochte, das erklärte, was los war. Am liebsten hätten wir es uns selbst nicht eingestanden. Ich nahm es also auf mich, es ihr zu erklären; Worte, die es beschönigt hätten, konnte ich keine finden. Ich wollte Sari beruhigen, es ihr leichter machen; es gelang mir kaum.
Nie musste ich jemandem sagen, dass er stirbt. Ich hätte an ihrer Seite gekämpft. Ich meine, ich wäre bei ihr geblieben, um das Gras zu entfernen. Aber … Geron tauchte auf. Für einen Moment überließ ich Sari Finjan, dem sie die Karten für die K.G.I.A. anvertraute. Pflichtbewusst bis zum Ende. Sari soll uns allen ein Vorbild sein.
Geron erklärte mir derweil, dass die Gräser Saris Blut aussaugten, dass sie das genau so wenig überleben würde, wie das unendlich schmerzhafte Entfernen der Gräser und dass wir nichts hatten, um ihr zu helfen. Er bestätigte bloß, was ich ohnehin befürchtet hatte. Ich hoffte, wir hätten wenigstens etwas, um es Sari leichter zu machen, immerhin hatten wir unsere Alchemistin, aber wie mir Geron gleich darauf signalisierte, war das eine vergebliche Hoffnung. Wir konnten gar nichts tun, während der Dschungel Sari aussaugte, seinen blutigen Triumph auskostend.
Ich hatte mich wieder zu Sari hinab gebeugt, hielt ihre Hand, zog sie in meinen Arm. Ich wusste fast nichts von ihr. Ich fragte sie nach ihrem Lieblingsort. Mein Mentor sagte mir einst, dass schöne Erinnerungen Ruhe und Trost selbst in aufgewühlte Geister zu bringen vermögen. Für Sari war dieser Ort der Kartentisch. Eine letzte Botschaft gab sie mir mit. Ich hoffe sehr, sie stand in ihren Gedanken an diesem Kartentisch. Ich sagte ihr, dass sie mir meinen Glauben zurück gegeben hatte. Ich hoffe, sie ahnte, was das für einen Geweihten bedeutet. Ich hoffe, sie war stolz. Ich hoffe, sie hat die Klinge meines Dolches nicht gespürt, als ich ihn ihr ins Herz stieß. Ich hoffe … aber natürlich hat sie es gespürt. Ich hoffe, sie verstand es und dass es schnell genug ging. Ich hoffe, ich habe es gut gemacht. Es kann gar nicht gut genug gewesen sein. Aber was … welchen Dienst hätte ich ihr sonst erweisen mögen? Bei RONdra, das war alles, was ich vermochte, alles, was wir vermochten.
Einen Moment ließ ich Sari bei Finjan zurück, sobald ihr Körper leblos auf dem Boden lag. Ich …
Und dann ging ich zurück, hob Sari Treublatt auf meine Arme und trug sie aus dem Farnfeld heraus. Und für Sari Treublatt erklang noch einmal unser Dschungelorchester, als wir die alten Lieder anstimmten, zum Ruhme der Gefallenen, zum Lob der Tapferen. Die zarte Kartographin war ihrer mindestens genauso würdig, wie die Helden von einst, für die sie geschrieben worden sind. Ich glaube nicht, dass der Dschungel so etwas je hörte, wie unsere Musik für Sari Treublatt.