Gespielt am: 14. September 2019
Seit fünf Nächten ist der Expeditionstrupp den zahllosen Gefahren des maraskanischen Dschungels ausgesetzt. Geschunden und erschöpft muss es immer weiter gehen, denn jede Rast ist ein Risiko. Seit dem Massaker beim Entkommen aus Boran ist Oberins Haltung gegenüber Lieutnant Finjan geradezu feindselig. Der Dschungel beginnt, auch in seinem Herzen zu wuchern…
3.BORon 33 Hal, Dschungel von Maraskan
Gestern Nacht kroch Finjan eine Spinne in den Mund, ehe ich sie zu fassen bekam. Ich glaube, es gelang ihm, sie herauszuwürgen, doch danach war seine Zunge taub und er konnte nicht mehr sprechen. Wie passend für einen Offizier, der seinen Leuten keine klaren Befehle gibt. Der Dschungel offenbart, was in uns ist. Heute Morgen war Finjans Stimme zurück. Später bei einer Rast tauchte ein hübscher Schmetterling vor uns auf. Finjan hatte plötzlich nichts als diesen Falter im Sinn. Hatte er noch immer nicht begriffen, wie gefährlich Schönheit an diesem Ort war? Das nach dem Vorfall mit den Beeren tags zuvor und der Orchidee, die mit ihrem Geruch meine Nase vor ein paar Tagen betäubt hatte?
Wenn Viburn durchdrehte und die Mannschaft den Respekt vor mir verloren hatte, durfte nicht auch noch Finjan verrückt spielen. Ich packte ihn, wollte ihn zur Besinnung bringen, doch er verpasste mir einen Faustschlag, wollte sich losreißen, dem Schmetterling folgen.
Da tauchte Viburn auf und brüllte uns zusammen, dass der Dschungel widerhallte. Ich zweifelte nicht daran, dass er uns tatsächlich beim nächsten Mal umbringen wollte, wie er es androhte.
4.BORon 33 Hal, Dschungel von Maraskan, Ausgrabungsstätte Ssel‘Althach
Der Tag begann seltsam. Wir hätten wissen sollen, dass es ein grausiger Tag werden würde.
Es herrschte Stille, absolute Stille. Der Dschungel schwieg für uns.
Wir marschierten weiter, immer weiter in der drückenden Hitze, ohne voranzukommen, wie es schien. Die Stimmung war gedrückt, die Mannschaft unruhig. Dass wir vor der Mittagshitze auf ein Feld riesenhafter Farne stießen, verbesserte die Laune nicht. Viburn war unwirsch, Geron hielt das Umgehen dieses eigenartigen Feldes für zu aufwendig. Wenn man sich die Expedition ansah, besaßen wir einfach nicht die Kraft für den notwendigen Umweg, zumal wenn wir den Zeitplan ansatzweise einhalten wollten. So entschieden wir, wie auf den Plantagen zügig hindurch zu gehen. Keinem gefiel das besonders, aber niemand erhob Einwände. Geron hielt uns aber dazu an, das Vergehen der Mittagshitze vor dem Feld abzuwarten. Wir Fremdijis mochten gefühlt keinen großen Unterschied zwischen ziemlich heiß und sehr heiß feststellen, die verlängerte Pause war jedoch allen recht, bis auf Viburn vielleicht, dem gar nichts recht zu sein schien, und Finjan, der unbedingt weiter wollte. In dieser Sache ließ Geron allerdings nicht mit sich reden.
Die Expedition gab ein Bild des Jammers ab. Die Erschöpfung durch den beständigen Kampf gegen den Dschungel forderte ihren Tribut und die Moral war deutlich gesunken. Niemandem entging mehr Viburns Zustand. Finjan forderte mich angesichts dieser Umstände auf, zur Mannschaft zu sprechen, aber dies war nicht die Zeit für die Worte eines RONdra Geweihten. Uns stand kein Kampf bevor. Der Kampf gegen den Dschungel war unser Kampf. Es –
Die Wahrheit ist, dass ich keine Worte in mir finden konnte, um die Leute zu ermutigen. In mir wucherte der Dschungel und Schlimmeres vielleicht. Nach unserer Bluttat kann ich noch nicht wieder für die Herrin sprechen und fühlte mich unwürdig. Der Vorfall mit den demütigenden Lila-Laune-Beeren hatte aus Sicht der Mannschaft jedoch wahrscheinlich noch verheerendere Auswirkungen. Sie geben sich pflichtschuldig, doch auch ihren Respekt hatte ich verloren, genau wie den vor mir selbst. Ich fand keine Worte mehr in meinem Glauben.
Aber Finjan verstand nichts davon. Ihm scheint das Blutbad, das wir angerichtet hatten, komplett gleichgültig zu sein. Das ich nichts zu sagen hatte, konnte er nicht respektieren, und als ich versuchte, ihm klar zu machen, dass es nun an ihm als zweithöchstem Offizier war, die Mannschaft zu führen, hatte er dafür kein Verständnis. Dieser Sturkopf von einem Neersander glaubt allen Ernstes, nur der Inhaber der obersten Befehlsgewalt sei in der Verantwortung, zu führen! Aber das passt. Genau wie er seinen Entertrupp nicht geführt hat, was uns überhaupt erst in diese Situation gebracht hat, weigert er sich jetzt, Verantwortung zu übernehmen. Ich mag mich in ihm getäuscht haben, gerade scheint er mir nicht mehr als ein tumber Haudrauf zu sein. Offenbar taugt Finjan doch nicht als Offizier. Welche Aussicht besteht nun noch für die Expedition, wenn der Führungsoffizier vor aller Augen auseinanderfällt, der Geweihte der Gruppe nur noch das Spottbild seines Standes darstellt und der Einzige, zu dem die Mannschaft noch aufschauen könnte, sich feige verpisst?
Aber ach, das ist jetzt ohne Bedeutung.
Wie ich dort saß und meinen Blick schweifen ließ, bemerkte ich einmal mehr die bedauernswerte Sari Treublatt. Zu entkräftet war sie, weiter an den Karten zu arbeiten, die sie für die KGIA anfertigt, oder Finjan noch ein paar Tricks der Kartierung zu zeigen, wie dieser sie auf meinen Rat hin gebeten hatte. Aber der Neersander stänkerte sowieso nur rum.
Saris verlorener Blick rührte doch noch etwas in meinem Geweihtenherz und ich gesellte mich zu ihr, um vielleicht wenigstens ihr etwas Mut zusprechen zu können. Für die ganze Gruppe reichte es einfach nicht, aber für einen Menschen wusste ich noch ein paar Worte. Sie verehrt alle Götter in ähnlichem Ausmaß, auch wenn ihr etwa EFFerd auf See etwas näher steht. Also erzählte ich ihr von meinem Glauben an RONdra, wie er mich immer und überall mit Stärke und Hoffnung erfüllt. Wie ich in allem gemäß den Lehren meiner Göttin die Herausforderung sehe, was das Leben erfüllend macht und mir zugleich Sicherheit gibt, einen Boden, auf dem ich stehen kann, gleichgültig, wo ich bin oder was mich bedrückt.
So habe ich es wohl nicht ganz gesagt, ich erinnere mich gar nicht richtig an die Worte. Das Überraschende war jedoch, dass während ich zu ihr sprach, sie es war, Sari Treublatt, die mir Mut gab und mich daran erinnerte, was meinen Glauben ausmachte. Auf einmal spürte ich wieder mehr Vertrauen in die Göttin und dass auch sie mich noch nicht aufgegeben hatte.
Als wir gleich darauf in den Farn eintauchten, sah ich ein Funkeln in Saris Augen aufklimmen. Ich fragte mich, ob das Gleiche in meinen Augen zu lesen war.