Die Aventŭre des Oberin Sturmbund – Werdegang eines Rondra Geweihten

Dies ist der Charakterhintergrund von Oberin Sturmbund wie er 2020 nach Beginn der Kampagne ausformuliert wurde. Das Dokument behandelt neben einschneidenden Momenten im Leben des Geweihten auch sein Verhältnis zu den Mitgliedern seiner Familie.

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Volltext

Familienbande

Der Geweihte Oberin Sturmbund aus dem Orden der Wahrer wurde ihm Jahre 997 nach Bosparans Fall in der Stadt Vallusa auf der Insel in der Misa-Mündung geboren. Er entstammte einer fähigen und durchaus respektierten Familie von Uhrmachern, die ihre Wurzeln im Horasreich verortet wissen wollte, was sehr wohl möglich erscheint, inzwischen aber nicht mehr zu belegen ist. In seinen Memoiren weist der Geweihte darauf hin, mit welchem Stolz sein Vater sich rühmte, der einzige Uhrmacher an der Ostküste zu sein.

Der junge Oberin wuchs jedenfalls nicht in ärmlichen Verhältnissen heran, gleichwohl finden sich naturgemäß kaum Dokumente aus jenen Tagen, die verlässlich Aufschluss über diese Zeit im Leben des späteren Geweihten geben könnten, hauptsächlich handelt es sich dabei um Dokumente und Aufzeichnungen des städtischen Archivs, die jedoch in keiner Weise gut gepflegt wurden. Belegt ist, dass Oberins Vater Barjesha Bresenfink 991 BF mit Dalkeshja Lukska, der Tochter eines begüterten tobrischen Bauern, den Traviabund einging, aus dem bereits zwei Jahre darauf Oberins ältester Bruder Silberhardt hervorging. 994 BF wurde der jungen Familie bereits der zweite Sohn Elkwin geboren.

Es wird erzählt, Dalkeshja sei eine ausgesprochene Schönheit gewesen. In den Memoiren des Geweihten wird berichtet, dass der Barjesha in späteren Zeiten viel und gerne von der Schönheit seiner Frau sprach, ihren Geschäftssinn bewunderte und ihr überhaupt sehr zugetan gewesen zu sein schien. Allerdings war sie wohl jederzeit von kränklicher Natur und ihre zarte Gestalt schien bald zu verblassen. So jedenfalls wurde es dem Geweihten Oberin Sturmbund beschrieben, denn der Knabe selbst gewann darüber wenig Kenntnis, verließ er doch sein Elternhaus in seinem siebten Lebensjahr und kehrte danach nur selten zu seiner Familie nach Vallusa zurück. Wenn er von diesen wenigen Besuchen berichtet, beschreibt er seine Mutter als stark an Herz und Geist, doch von wenig präsenter Erscheinung.

Der Vater hingegen war ein stattlicher Mann mit selbstgewissem und sehr entschiedenem Auftritt, zumindest lässt der Geweihte Sturmbund ihn so in den oft schillernden Erzählungen seines Onkels Siegrond Wolfsfluch von Vallusa zu Rhodenstein aufleuchten, die er recht ausschweifend in seinen Memoiren aufgreift. Tatsächlich lässt sich leicht herauslesen, dass er seinem Onkel Siegrond, der zu den Gründern des Ordens der Wahrer zu zählen ist, allzeit sehr viel näher stand als dem Vater, den er selbst als strengen, ernsten und fordernden Mann kennengelernt hat. Ernsthaft wie der Uhrmacher war, hatte er nie etwas für die Träumereien seines jüngsten Sohnes übrig und für Oberins Hinwendung zu den mystischen Aspekten des Zwölfgötterglaubens entwickelte er erst recht kein Verständnis. Schon für die abenteuerlichen Umtriebe des eigenen Bruders hatte er nichts übrig und wollte sicherlich für den eigenen Sohn einen bodenständigeren Lebenswandel.

Über seine beiden älteren Brüder Silberhardt und Elkwin zu ihrer Kinderzeit verliert Oberin in seinen Memoiren nicht all zu viele Worte. Das mag daran  liegen, dass er die Familie bereits mit sieben Jahren verließ; angesichts des oft grüblerischen Temperaments des Geweihten wurde aber zunächst darauf hingewiesen, dass diese Tatsache eher als Beleg für das unkomplizierte Verhältnis der drei Brüder zu werten sei. Die wenigen Schilderungen des Geweihten diesbezüglich sprechen dafür, dass insbesondere sein ältester Bruder Silberhardt seine Rolle als Erstgeborener stets ernst nahm und immer ein wachsames Auge auf seine beiden Brüder hatte, insbesondere auf den jüngsten Oberin. Er leitete ihn an und tadelte ihn, wie es ihm nötig erschien. Oberin beschreibt es später als Hang zur Bevormundung, weist aber gleichsam daraufhin, neben ihrem Onkel, bei seinem ältesten Bruder am ehesten Verständnis für seine Sicht auf die Welt und auf die Götter gefunden zu haben. Zwar war es tatsächlich der Jüngste, Oberin, der sich zuerst zum Dienst für die Göttin berufen fühlte, doch schlug auch sein ältester Bruder den Weg eines Geweihten ein und trat bald darauf in den INGerimm-Tempel ihrer Heimatstadt Vallusa ein, dem er sein gesamtes Leben widmen sollte. So nimmt es nicht wunder, wenn Silberhardt, insbesondere in späteren Jahren, neben ihrem Onkel, Oberin aus der Familie am nächsten stand, obschon er den Schilderungen des Geweihten zufolge von zupackender Natur war und sich vielleicht deswegen besser mit ihrem Vater verstand. Er erscheint insofern als Vermittler zwischen dem Vater und seinem jüngsten Sohn.

Ihr mittlerer Bruder Elkwin wiederum schlug Oberins Beschreibung zufolge ganz nach dem soliden Vater, die wenigen verfügbaren Berichte legen sogar nahe, dass er geradezu eine zweite Ausgabe ihres Vaters war, sowohl im Wesen als auch in der Erscheinung.

In jungen Jahren hielten die drei im Zweifelsfall zusammen, wie Geschwister das eben tun, doch teilte Elkwin nie das Gefühl der Berufenheit, welches sowohl sein älterer und sein jüngerer Bruder erfahren sollten. Da sie altersmäßig näher beieinander lagen, war sein Verhältnis zu Silberhardt enger, zumal dieser immerhin zum INGerimm-Tempel ging und in Vallusa blieb.

Oberins Berufung

Es lässt sich wohl sagen, dass Oberin, der sich immer schon am meisten zu den Geschichten seines Onkels hingezogen fühlte, sich mit seinem Weggang aus Vallusa nicht nur räumlich von seiner Familie entfernte. Insofern ist jenes Ereignis, welches für Oberin den Anstoß gab, sich der RONdra Kirche zu verpflichten, in jedem Fall als schicksalhaft zu begreifen, unabhängig davon, wie dieses Geschehnis in kirchlicher Hinsicht zu bewerten ist. Bis heute wird dieser Punkt von Gelehrten und Kirchenmitgliedern, die sich mit der Geschichte des Geweihten Sturmbund befassen, nach wie vor am kritischsten diskutiert, in einem Leben, das in der Rückschau für manche Kontroverse sorgte. Sturmbund selbst gibt in seinen Memoiren und auch zu anderen Gelegenheiten, bei denen er darauf angesprochen wurde an, keine klare Erinnerung an jene Sturmnacht vor Vallusa zu haben. Allein das Empfinden jener Nacht, im Sturm nicht verloren zu sein, sondern im Gegenteil von einer vertrauenerweckenden Präsenz begleitet zu werden, habe ihn nie verlassen. Im Grollen des Donners und dem Licht der Blitze müsse ihm von diesem Gefühl getragen einfach klar geworden ein, dass er dem Weg seines Onkels folgen wollte. Diese etwas vage Erklärung erscheint unbefriedigend und tatsächlich sind über dieses Ereignis einige Augenzeugenberichte erhalten, welche das Vorkommnis sehr viel klarer schildern. Wie es bei derlei Berichten üblich ist, stimmen sie nicht in jeder Hinsicht überein, die folgende Schilderung kann jedoch ad exemplum herangezogen werden, um die Geschichte jener Nacht wiederzugeben, wie sie damals in Vallusa die Runde machte.

 

„Eine fürchterliche Sturmnacht war das 1002 BF. In Vallusa sind wir´s gewohnt, mal schwere Wetter zu erdulden, zum Glück haben wir die große Mauer und der Herr INGerimm hält seine Hand über unsere Stadt, darum muss einem da nicht so bang sein, aber das war schon ein arges Wüten. Jedenfalls es war Markttag, allerhand Trubel in den engen Gassen, da werden Kinder schon mal von ihren Eltern getrennt. Über den Tag hat der Wind stark zugenommen, die See draußen wurde zunehmend unruhiger und am Nachmittag wurden die Wolken wahrlich finster und türmten sich unermesslich hoch. Der Markt wurde dann auch geschlossen, die Leute sollten nach Hause gehen und die Händler von außerhalb ihre Wagen an die Mauer schaffen. Da war schon etwas Unruhe und da höre ich, dass die Uhrmachersippe ihren jüngsten Spross sucht. Da weiß man ja, um wen es sich handelt. Ob an der ganzen Ostküste weiß ich nicht, aber in Vallusa gibt´s nur den einen Uhrmacher. Ein paar Leute hamm dann beim Suchern geholfen, aber was ich gehört habe, war´s dann Silberhardt, der älteste der drei Brüder, der den jungen Oberin draußen vor der Mauer am Rande der Tobrischen Brücke gefunden und ihn zurückgebracht hat, grad ehe die Tore geschlossen wurden. Übrigens kein bisschen zu früh, der Abend brachte eine Sturmflut, wie ich sie mein Lebtag nicht gesehen hatte. Na ja, so ´ne Nacht sorgt für Gesprächsstoff, mehr noch, wenn so was wie mit dem jungen Oberin passiert. Ja, damals ist ein Weilchen viel geredet worden. Der Bursche hatte kein bisschen Angst, war halt auch noch klein, aber die Fischverkäuferin, die mit der alten Nachbarin der Uhrmachersippe befreundet war, die hat mir erzählt, dass der Junge eine ganz komische Geschichte erzählt hat. Gefragt, warum um der Götter Willen er denn im Sturm weggelaufen sei, hat der kleine Oberin verkündet, im Sturm habe er die starke Stimme einer Frau gehört, die ihn zu sich gerufen habe, eine Frau und eine Stimme, der man nicht widerspricht, der man gehorchen muss, hat er gesagt. Und dann, wie´s um ihn her blitzt und donnert und das Wasser im Fluss zu toben beginnt, da sei Löwengebrüll im Wind gewesen und zwischen den Wolken sei eine Ehrfurcht gebietende Kriegerin gewesen, die zu im die Worte sprach: „Du wirst mein Schwert sein und jene Taten berichten, die meiner würdig sind, wenn ich Dich rufe.“ Davon habt Ihr wohl schon gehört. Eine Zeit lang hat das hier für Gesprächsstoff gesorgt. Welches vallusische Kind würde schon so was erzählen? Barjeschka Bresenfink war die Angelegenheit sehr peinlich, die Leute machten sich einen Spaß daraus, ihn ein wenig damit aufzuziehen. Aber der junge Oberin hat wahrscheinlich nur die Geschichten seines Onkels mit der Wirklichkeit durcheinander gebracht. In so einem Sturm könnte das einem Erwachsenen passieren. Ihr kennt doch sicherlich Siegrond Wolfsfluch von Vallusa zu Rohdenstein, den Bruder des Uhrmachers, der ist ein weit gereister Geweihter der RONdra-Kirche und der kennt manche Geschichte. Und erzählen kann der, dass man glaubt, selbst in der Halle eines Königs zu sitzen, anstatt im Schlange & Federkiel! Na, die Leute haben dann auch wieder aufgehört zu reden, spätestens, als sich herumsprach, Zidonje, die Frau des Bürgermeisters Gradnochsjepengurken habe -, ach, Ihr wisst ja, wie das so ist in einer kleinen Stadt. Der Junge jedenfalls ging zwei oder drei Jahre später mit seinem Onkel fort.“

(Dabbert Alatzer, Porzellanmacher in Vallusa)

 

In der Tat erfuhr Oberins Onkel bei seinem nächsten Besuch von dieser Begebenheit und schlug seinem Bruder und seiner Schwägerin vor, den Jungen mit nach Rhodenstein zu nehmen, wo er Aussicht habe, im Orden der Wahrer zu einem Geweihten ausgebildet zu werden. Zunächst lehnten die Eltern ab, aufgrund des zarten Alters des Jungen, aber wohl auch, wie der Geweihte schreibt, weil sein Vater Zweifel an der Motivation seines Sohnes hegte und den Einfluss seines Bruders dahinter vermutete, der dem Jungen Flausen in den Kopf gesetzt habe, mit all seinen Geschichten. Da Oberin jedoch auf seinem Wunsch beharrte, mit seinem Onkel gehen zu dürfen und nach mehreren, wohl durchaus hitzigen, Debatten zwischen Vater und Onkel, gaben die Eltern nach. Erstaunlicherweise spricht der Geweihte nirgends davon, was seine Mutter zu all dem zu sagen hatte.

So kam es, dass Oberin, der spätere Sturmbund, im Jahr 1005 BF mit seinem Onkel Siegrond Wolfsfluch und dessen illustren sechs Gefährten nach Rhodenstein aufbrach, wo er allerdings erst über ein Jahr später eintreffen sollte. Die Zeit der Reise mit der Gemeinschaft seines Onkels galt ihm lange Zeit als die schönste seines Lebens.

 

Schlacht auf den Vallusanischen Weiden

Der junge Geweihte Sturmbund war also lange Zeit nicht zu Hause gewesen, als er sich Anfang 2021 im kaiserlichen Heereszug auf den Vallusanischen Weiden in Helme Haffax meisterlich gestellte Falle geriet. Seinen Erlebnissen während dieser für Aventurien so entscheidenden Phase der jüngeren Geschichte widmet er in seinen Erinnerungen an jene Zeit viel Raum. An dieser Stelle wollen wir den Geweihten Sturmbund zumindest kurz zu Wort kommen lassen, um einen Eindruck davon zu gewinnen, wie er die große Schlacht auf den Vallusanischen Weiden erlebte, durch welche der Vormarsch Borbarads endlich aufgehalten wurde. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der frisch Geweihte Oberin bereits seit geraumer Zeit an der Seite seines Onkels im kaiserlichen Heerzug, dessen Aussicht auf den Sieg immer weiter schwand. Sturmbund war sich dessen bewusst, verlor den eigenen Worten zufolge wie stets in den dunklen Zeiten seines Lebens nicht den Glauben, dass RONdra sie zum Sieg führen werde, wenn sie sich in der Schlacht als würdig erwiesen. Die Macht der Worte und die Wut im Kampf sind zwei Prinzipien, von denen sich Sturmbund jederzeit leiten ließ.

 

„Es heißt, die Nacht sei am dunkelsten just bevor der Morgen kommt. Zu dieser Stunde war es wahrlich finster über den Vallusanischen Weiden. Die Sterne erloschen, die Sonne war noch nicht zu erahnen und nur die Feuer, die auf den Vallusanischen Weiden da und dort ausgebrochen waren, brachten flackerndes Licht in die Nacht. Viele Stunden wütete die Schlacht bereits, der Morgen konnte der Dunkelheit zum Trotz nicht mehr fern sein, aber es machte nicht den Eindruck, als ob er uns irgendeine Hoffnung bringen könnte. Der Heerhaufen, der gegen uns anging, schien sich eher vermehrt statt vermindert zu haben. Boshafte Kreaturen spien ihren Schrecken aus der Nacht und Soldat um Soldat der Kaiserlichen fiel. Noch aber blieben wir standhaft, wenngleich wir mit jedem Toten Meter um Meter zurückweichen mussten unter dem unerbittlichen Andrang der Borbaradianer.

Im Dunkel der Nacht war nur wenig davon auszumachen, doch das Banner der RONdra Kirche stand weiterhin aufrecht auf dem Hügel, den das Schwert der Schwerter, Ayla vom Schattengrund mit ihrem Gefolge besetzt hatte. Unbeugsam stand sie dort oben und kein Feind nahte der Hügelkuppe. Mit meinem Onkel und anderen unserer Schwertgeschwister war ich vom Hügel herabgestiegen, um den Soldaten Mut zuzusprechen und RONdras Geist unter sie zu tragen. Um uns her focht auch die Schar meines Onkels und wer könnte da in Verzweiflung geraten, wenn solche Recken zusammenstehen und die Göttin auf das Schlachtfeld hernieder blickt. So war´s in einem Augenblick, doch dann, o welch Unglück, erschien Karmoth der Schlächter auf dem Schlachtfeld. Mein Onkel und ich, wir waren zu weit weg, um es sogleich zu bemerken, obwohl man spürte, wie sich etwas änderte. Die Luft vibrierte und ein Prickeln lief über die Haut hinweg. Dann ertönte vielstimmiges Geschrei und als wir im Getümmel einen Moment zu Atem kamen, drehten wir uns in die Richtung, aus der es kam. Welch grausiger Anblick, selbst aus der Ferne war es, wie die gigantische Bestie Hieb um Hieb durch Freund und Feind mähte. Ich sah das Wüten Kamoths, seinen Ruf hörte ich nicht. Die Ankunft des Dämons auf dem Schlachtfeld ließ die Herzen unserer Mitstreiter sinken, während Borbarads Horden frohlockten, obschon nicht wenige ihrer eigenen Truppen von den Äxten des Untiers gefällt wurden. Mein Onkel und ich besannen uns, stimmten gemeinsam den Choral der Heiligen Ardare an, um noch einmal Mut in den Herzen zu entfachen. Und RONdra erhörte unsere Gebete.

Mit dem heraufziehenden Morgen erschien ein frisches Heer am Horizont!

Kaum hatten wir es bemerkt, war es auch schon nah gerückt, der Feind hatte kaum Gelegenheit, sich zu sammeln und neu zu formieren, und es nutzte ihm nichts. Das Reiterheer das herandonnerte, auf Hufen, die schneller waren als die eines Pferdes sein konnten, stieß auf den Feind vor und wo unsere Reiterei bereits längst feststeckte, fuhren sie durch seine Linien wie der Blitz durch den Wald. Hinter den Reitern kam das Licht und ein goldener Glanz lag auf den Rüstungen, aus deren Rücken Schwingen empor wuchsen. Auf breiter Front wurde der Feind schlichtweg niedergeritten. Die unverhoffte Verstärkung drang allein in diesem ersten Angriff tief in seine Reihen vor. Seine Schlachtlinie brach einfach unter dem Ansturm zusammen und wer es noch konnte, der ließ seine Waffen fallen und wandte sich zur Flucht. Staunend hielten wir inne und starrten auf diese geflügelten Reiter, deren Schwingen sie über das ganze Schlachtfeld zu tragen schienen. Für einen Moment hatten wir Kamoth vergessen, doch der Kampf war noch nicht zu Ende. Denn wie wir bald darauf entdeckten, rückte der Dämon nun gegen das RONdra Banner vor und nichts und niemand schien ihn aufhalten zu können. Mein Onkel scharte seine Streiter um sich, und wir machten uns zu jenem Hügel auf, den das Schwert der Schwerter noch immer hielt und wo das Banner stolz über ihr wehte. Doch der Keil, den die geflügelten in die Reihen der Borbaradianer getrieben hatten, stand nun zwischen uns und dem Hügel. Verzweifelt kämpften wir uns vorwärts, doch wir kamen nicht über das Schlachtfeld, steckten fest zwischen Toten und Lebenden, zwischen Dämonen und Menschen, zwischen den Borbaradianern, die immer noch kämpften, und unseren eigenen Truppen. Bei jedem rastlosen Blick, den wir hinauf zum Hügel der Schwertgeschwister warfen, schien ihr Kreis weiter geschrumpft zu sein und auf einmal verhielten die Kämpfe. Alle starrten hinauf zu RONdras Banner, unter dem allein das Schwert der Schwerter noch stand und dem Dämon furchtlos die Standarte verweigerte.“

 

Der Geweihte liefert in der Folge eine ausführliche Schilderung des Kampfes auf dem Hügel, von der Niederlage des Schwertes der Schwerter im Duell mit Kamoth bis zur Bannung des Dämons aus dieser Sphäre durch die Königin der Amazonen. Auch die danach stattfindenden Gefechte mit den zurückweichenden Truppen Borbarads beschreibt Sturmbund umfassend.

Womöglich entgegen dessen, was angenommen werden könnte, vermitteln seine Ausführungen recht deutlich, dass den größten Eindruck im Laufe der Schlacht das Eintreffen der geflügelten Reiter bei dem jungen Geweihten hinterließ.

Die Schlacht auf den Vallusanischen Weiden stellte gewiss eines der einschneidensten Erlebnisse in den ersten Jahren seines Wirkens im Dienste der Göttin dar, gleichwohl sie ehe das Jahr 2021 BF sich neigte von der Schlacht an der Trollpforte, die als Dritte Dämonenschlacht in die Geschichte Aventuriens eingehen sollte, in den Schatten gestellt werden würde. Durch ein merkwürdiges Schicksal gingen beide Schlachten mit persönlichen Verlusten für Oberin Sturmbund einher. Überspringen wir also zunächst einmal Sturmbunds weit schweifende Nachbetrachtungen zur Schlacht auf den Vallusanischen Weiden und hören uns stattdessen an, was er über seinen Besuch im Nachgang in Vallusa schreibt.

 

„Mein Onkel und ich baten darum, das Heer für eine kurze Zeit verlassen zu dürfen, um unsere Familie in Vallusa zu besuchen. Ayla vom Schattengrund würde bald aufbrechen und auch andere beabsichtigten, zügig weiter zu reisen, das Hauptheer jedoch würde eine Weile auf den Vallusanischen Weiden lagern. Daher wurden wir, gleich einigen anderen, zwei Tage von unserem Dienst freigestellt. Ich glaube, trotz der großen Verluste, die wir erlitten hatten, war man angesichts der prekären Versorgungslage froh um jeden, den man nicht verpflegen musste.

Wir gingen also, um uns das Blut abzuwaschen und unsere Erscheinung bestmöglich herzurichten, ehe wir gen Vallusa aufbrachen. Die Schar meines Onkels ließen wir im Lager zurück; meine Eltern wussten diese charakterstarken Leute nie zu schätzen. Bereits aus der Ferne konnte man spüren, wie die Stadt aufatmete. Die furchtsame Spannung, die Vallusa im Würgegriff gehalten hatte, als wir vor der Schlacht daran vorüber geritten waren, hatte sich gelöst, als die Nacht verging und klar wurde, dass die Borbaradianer das Weite gesucht hatten. Jubel und Fröhlichkeit drangen aus der Stadt herüber und als wir sie betraten, wurden wir gleich allen Soldaten gut gelaunt begrüßt. Die Belagerung, auf die man sich eingestellt hatte, war ausgeblieben und die Gefahr einstweilen gebannt. Die Straßen waren überfüllt, wegen der Flüchtlinge aus dem Umland, die hinter der Mauer Vallusas Schutz gesucht hatten. Über allem ragte ruhig und selbstgewiss der INGerimm-Turm auf, den kein Sturm je hatte bezwingen können. Wir schoben uns durch die palavernden Menschen, uns Gasse um Gasse zum Haus meines Vaters vorarbeitend. Für meinen Onkel mag das nichts Besonderes gewesen sein, er kannte es zur Genüge, von abenteuerlicher Fahrt wiederzukehren und von seinem Bruder eher kühl empfangen zu werden. Ich hingegen fieberte der Begegnung mit meinem Vater entgegen. Nachdem wir in der vorangegangenen Nacht das Feld vom Feind gesäubert hatten, mochte er vielleicht anders darüber denken, dass ich mich gleich meinem Onkel dem Orden der Wahrer verschrieben hatte. Gewiss mochte er nun auch mit dem Herzen fühlen und nicht bloß mit dem Verstand wissen, dass der Dienst an der Herrin RONdra ebenso respektabel ist wie der am Herren INGerimm und erkennen, dass der Orden der Wahrer wichtige Aufgaben für das Reich erfüllt, die auch Vallusa zugute kommen und nicht bloß schwärmerische Büchernarren heranzieht, wie er es einmal nannte. Hätte ich solche Gedanken vor meinem Onkel geäußert, er hätte es besser gewusst, doch er hätte mich niemals dafür getadelt, meinen Vater noch mit unserer Berufung versöhnen zu wollen.

Aber als wir vor meinem Elternhaus standen, da war alles anders. Um die Tür zur Uhrmacherwerkstatt meines Vaters ballte sich eine Menschentraube.

„Macht Platz!“, rief mein Onkel mit befehlsgewohnter Stimme.

Leute drehten sich nach uns um, traten eilig beiseite, sobald sie die Roben zweier Kirchendiener erblickten. Gleich darauf standen wir in der Werkstatt, wo weitere Menschen um meinen Vater standen, der zusammengesackt auf einem Holzschemel hockte. Wir vernahmen ihre Wehklage, aber mein Vater sagte nichts, regungslos saß er mit nach vorne gesunkenem Kopf da, bis er die Schritte unserer schweren Reitstiefel vernahm. Da hob er langsam das Gesicht, aus dem leere Augen meinen Onkel betrachteten, als wäre er ein altbekanntes Ärgernis, das nun auch nichts mehr zur Sache tat. Mich schien er überhaupt nicht zu bemerken. Mein Onkel kniete sich vor meinen Vater hin, der mir seit meinem letzten Besuch um Jahrzehnte gealtert schien. Er ergriff die Hand seines Bruders, die vollkommen schlaff blieb. „Was ist geschehen?“, fragte er, während ich zu keiner Regung fähig war. Mir fiel auf, dass meine Mutter nirgends zu sehen war. Die Menschen um uns waren still geworden. Mein Vater antwortete nichts, er reagierte überhaupt nicht. Schließlich trat einer der Umstehenden an meinen Onkel heran, seine Mütze nervös in seinen Händen drehend. Mir schien der Mann unbekannt. „Euer Gnaden“, sprach er zaghaft, „es ist Elkwin, der mittlere Sohn des Uhrmachers, gerade kam die Nachricht, dass er in der Schlacht heute Nacht gefallen ist.“

Die Bestürzung ließ mich taumeln. Konnte es sein? Sollte mein Bruder im Heer gewesen sein, ohne dass wir uns begegnet waren? Ich konnte es nicht glauben. Tatsächlich aber war es so. Wie ich später herausfand, hatte eine kleine Gruppe Vallusaner sich im Vorfeld der Schlacht unseren Truppen angeschlossen, um dabei zu helfen, Unheil von der Stadt abzuwenden. Elkwin war darunter gewesen. „Er hinterlässt eine Frau und ein Kind, das ihm im vergangenen Jahr erst geboren wurde“, setzte der alte Knabe mit seiner Mütze in der Hand hinzu.

Am nächsten Tag hatte ich meinen Vater gefragt, wie er das hatte zulassen können. Er gab mir zur Antwort, ein Mann müsse seine Familie schützen. Kalt setzte er hinzu, mein Onkel und ich hätten doch jedem weisgemacht, wie erbaulich es sei, sich in wilde Abenteuer zu stürzen. Dann wandte er sich rasch von mir ab. Das war das einzige Mal, dass ich Tränen im Gesicht meines Vaters sah.

Aber noch war nicht dieser Tag, noch war es der Tag davor in der Werkstatt meines Vaters mit all den Menschen darin um uns herum. Mein Onkel hatte sich erhoben und fragte den Mann: „Wo ist die Dame des Hauses? Wo ist Dalkeshja, seine Mutter? Bei der Witwe und ihrer Enkelin?“

Da wurde das Schweigen noch tiefer. „Ihr wisst es nicht?“

„Was wissen? So redet doch, Mann!“, fuhr mein Onkel den alten Knaben aufgebracht an.

„Vergebung, Herr“, stieß der hervor. „Die Frau des Uhrmachers starb noch vor dem letzten Jahresende. Sie war schwer krank.“

Es gelang mir gerade so, mich am nächsten Werktisch festzuhalten und mich darauf sinken zu lassen. Welch bittere Heimkehr war dies! Ich suchte den Blick meines Vaters aber er schaute noch immer nicht auf. Ich starrte zu Boden. So lange hatte ich meine Mutter nicht mehr gesehen und jetzt würde ich sie nie wieder sehen. Ihr Bild trat mir vor Augen, ihre milde Stimme, ihre sanfte Hand. Dann trieb all das fort. Seltsamerweise vermochte ich mir meinen Bruder nicht vorzustellen. Als Erwachsenen hatte ich Elkwin nur wenige Male gesehen und der Junge, der mein Bruder gewesen war, der war er nicht mehr gewesen.

Die schwere Hand meines Onkels auf meiner Schulter rüttelte mich aus meiner Erstarrung. „Oberin! Oberin, nimm Dich zusammen! Du gehst jetzt zu Deinem Bruder Silberhardt in den Tempel des INGerimm und bringst ihm die Nachricht vom Tode Elkwins, ehe er es von jemand Anderem erfahren muss. Ich kümmere mich hier um alles. Na los, geh schon, Junge!“

Ich tat, wie mir geheißen. Die Menschen, die immer noch herumstanden, machten mir Platz. Ich bemerkte sie kaum. Meine Füße fanden von selbst den Weg zum Feuerturm. An den Weg dorthin vermag ich nicht, mich zu erinnern. Ich begegnete meinem Bruder in der Tempelhalle, die allen Besuchern offen steht. Silberhardt bemerkte mich zuerst, löste sich aus einem Gespräch und kam erfreut zu mir herüber. Als er mein Gesicht sah, verhielt er, näherte sich langsamer. Trotzdem legte er auf Armeslänge seine große schwere Hand auf meine Schulter. Er besaß den eisenharten Griff meines Onkels. Ich erwiderte die Geste.

„Mein Bruder“, sprach er. „Was ist geschehen?“

An jenem Tag sprachen wir lange miteinander. Bald nahm Silberhardt mich beiseite, damit wir ungestört reden konnten. Das Meiste, was ich bei diesem Aufenthalt in Vallusa erfuhr, erfuhr ich von ihm. Mein Vater blieb wie zugeknöpft. Rückblickend scheint mir jeder Mann in meiner Familie näher gestanden zu haben als mein Vater. Neben meinem Onkel aber war mir Silberhardt stets nahe gewesen, obwohl wir uns in jungen Jahren oft gezankt hatten. Er, der wie ich den Götterdienst gewählt hatte, verstand mich wesentlich besser als mein Vater, obwohl auch Silberhardt sehr viel Wert auf seiner Hände Arbeit legte und durch das Werk zur Gottheit fand und meinen gedankenvollen Weg selbst nie beschritt. Jener Tag aber verband uns mehr als je zuvor; das war damals mein Gefühl, doch sollte sich das Jahre später erst richtig zeigen.

Silberhardt erbat sich im Tempel für eine Weile freigestellt zu werden und begleitete mich dann zum Haus unseres Vaters.

In der Zwischenzeit hatte mein Onkel dafür gesorgt, dass die zusammengelaufenen Menschen nach Hause gingen, und meinen Vater in die Wohnstube geschafft, wo nun auch uns heißer Tee erwartete. Mein Vater saß am Tisch, wo er weiter vor sich hin starrte. Als Silberhardt zu ihm trat, da erhob er sich kurz, woraufhin die beiden sich umarmten. In ihren Gesichtern las ich nur zu deutlich die Erinnerung an den kürzlichen Tod meiner Mutter, welcher die beiden im neuerlichen Schmerz um so mehr vereinte. Mein Onkel und ich blieben außen vor.

Es war schmerzlich, zu erfahren, dass mein Dienst an der Göttin mich soweit von meiner Familie fortgeführt hatte.

Mein Vater blieb fast den ganzen Tag bis in den Abend hinein stumm. Wir anderen sprachen von unserem Bruder und Neffen, von unserer Mutter und Schwägerin. Tee wurde bald zu Bier. Mein Vater sagte immer noch nichts, bis wir anhoben, die alten Lieder zu singen, im Gedenken der Toten. Da hob auch er seinen schweren Kopf und seine schöne volltönende Stimme und wir sangen und tranken, bis das Licht verlosch.

 

Am nächsten Morgen machten wir uns auf, die Leiche Elkwins aus dem Feldlager zu holen, wo die Toten, die hatten geborgen werden können, aufgebahrt worden waren.

Am Stadttor trafen wir auf seine Witwe Luta, der Silberhardt Nachricht gesandt hatte. Da sah ich zum ersten Mal meine kleine Nichte Dorlin, die bei ihrer Mutter auf dem Arm kauerte.

Mit vielen anderen fanden wir uns zur Feldmesse vor den Toren von Vallusa ein, wo der Sieg gefeiert wurde, den die Götter gegeben hatten, und die Toten geehrt wurden, die in ihrem Namen gefallen waren.

Mein Vater machte ein sehr verkniffenes Gesicht. Er wünschte ganz klar, seine Familie hätte mit diesem Krieg nichts zu schaffen gehabt; als ob das möglich gewesen wäre! Luta war in Tränen aufgelöst, doch sie hielt sich gerade und sehr still.

Im Anschluss trugen wir Elkwin in sein Heim, wo er für die Bestattung vorbereitet werden sollte. Das war wohl der einzige Moment, in dem wir vier uns alle wahrhaft nahe waren, auf diesem stummen Marsch, auf dem uns seine Witwe folgte, der letzte Weg meines Bruders. Es war auch das letzte Mal, dass wir vier alle zusammen kamen.

Später, als Luta die Leiche wusch, hielt Silberhardt Dorlin auf dem Arm. Mein Onkel alberte mit ihr herum. Sie würde sich nie an ihren Vater erinnern.

Unser Vater allerdings blickte missbilligend auf die Szene. Ich vermochte später nicht zu sagen, ob noch etwas zwischen meinem Vater und meinem Onkel vorgefallen war, während ich Silberhardt im Tempel aufgesucht hatte. Falls sie Worte während unseres Aufenthalts in Vallusa gewechselt hatten, behielten sie diese für sich.

Mein eigenes Gespräch mit meinem Vater an jenem Tag verlief fruchtlos. Ich wäre früher nach Vallusa gekommen, hätte ich erfahren, was geschehen war. Doch da wir mit dem Heereszug umherreisten, hatte mich die Botschaft, die ich viel später in Rhodenstein vorfinden sollte, nicht erreicht. Wäre sie doch mit einem Beilunker Reiter direkt zu mir gesandt worden! Und hätten wir nur gewusst, dass Elkwin auf die dumme Idee verfallen war, für Vallusa zu streiten, wir hätten es ihm ausgeredet. Diese Schlacht, dieser Krieg war kein Ort für einfache Leute, das war Kriegshandwerk! Aber mein Bruder muss die Tage zuvor viel davon gesprochen haben, dass Vallusa die Stadt sein werde, bei der wir den Dämonenknechten standgehalten haben werden – obwohl er dabei wahrscheinlich vor allem an seine Frau und seine kleine Tochter innerhalb der Stadtmauer gedacht haben dürfte. Silberhardt bereute, nicht erkannt zu haben, dass unser Bruder sich der Hilfstruppe aus Vallusa hatte anschließen wollen. Wahrscheinlich hatte er es verschwiegen, denn wo mein Vater oft nur stur und aufbrausend war, ein Verhalten, bei dem Elkwin gut hätte mithalten können, da vermochte Silberhardt sehr überzeugend und bestimmend zu sein. Jedenfalls warf mein Vater mir vor, zu weit weg von der Familie zu sein, weil ich unbedingt den verrückten Geschichten meines Onkels nachjagen wollte. Längst hätte ich mich nach Vallusa versetzen lassen können, wo in den Tagen des Krieges gegen Borbarad nicht wenige meiner Schwertgeschwister ihren Dienst versahen. Wenigstens jetzt sollte ich bleiben, mich versetzen lassen, um für die Familie da zu sein. Ich verstand seinen Wunsch, wenngleich Silberhardt hier gewiss alles besser zu ordnen vermochte als ich. Tatsächlich zog ich es nicht in Erwägung, zu bleiben. Ein Sturm tobte über Aventurien und die Schwerter der Sturmleuin würden die verräterischen Paktierer lehren, wer die einzig wahre Herrin des Sturmes war. Davon war ich überzeugt und ich wusste, dass mein Platz bei meinen Schwertgeschwistern war und beim Namen der Göttin im Wind. Eigentlich wollte ich diesen Gedanken für mich behalten, doch mein Vater setzte noch hinzu, solle mein Onkel diesen Krieg doch alleine ausfechten! Das ging zu weit! War mein Onkel nicht auch Teil unserer Familie? Brauchte er mich nicht gerade noch mehr, um an seiner Seite zu stehen, wenn wir durch das Blut der Verräter waten würden? Das erzürnte meinen Vater endgültig, er schrie, wenn ich jetzt mit meinem Onkel gehen würde, dann brauchte ich nicht mehr wiederzukommen, selbst wenn er mich nicht auch in den Tod führen würde. Daraufhin fuhr er meinen Onkel an, nur ja die Finger von seiner Enkelin zu lassen und stapfte davon, um sich in seiner Werkstatt zu verschanzen. Ich sah ihn nur noch zwei Mal, während der Beisetzung und vor unserem Aufbruch, um mich zu verabschieden. Beide Male sprach er kein Wort zu mir, als sei für ihn alles gesagt. Er war alt und stur und ich jung und zu stolz, mich mehr um ein versöhnliches Auseinandergehen zu bemühen, bei all unserem Kummer. Der Abschied von Silberhardt war herzlicher, obschon auch er besorgt schien und uns nicht gern ziehen sah und schon so bald. Doch unseren Onkel Siegrond kannte er schließlich noch länger als ich, wenngleich nicht so gut, und er verstand den Glauben, der in mir loderte, obwohl ich mich heute frage, ob das, was ich damals spürte, nicht vielmehr jugendlicher Übermut und Abenteuerlust waren. Keine Frage, ich hatte schon damals einen starken Glauben und doch verwechselt man das leicht mit anderen aufrührerischen Empfindungen. Die Tiefe des Glaubens und die Bedeutung der wahren Mystik erfuhr ich erst viel später und über lange Zeiträume hinweg. Mein Bruder hielt uns also weder auf, noch war er uns kram. Er wünschte uns eine gesunde Rückkehr, und dass wir es diesen Bastarden zeigen würden! So schieden wir am Morgen des dritten Tages, und auch Luta kam mit Dorlin, um uns zu verabschieden. Mit heißem Blick gab sie uns auf, die Mordbuben blutig büßen zu lassen. Nur mein Vater saß allein in seiner Werkstatt.

Welch bitterer Besuch war dies gewesen, an jenem Ort, der als Kind einmal mein zu Hause gewesen war. An jenem Tag war ich froh, wieder in den Krieg ziehen zu können.“

 

So beendet der Geweihte seine Schilderung seines Besuchs in Vallusa im Nachgang der Schlacht auf den Vallusanischen Weiden. Er zog mit seinem Onkel Siegrond Wolfsfluch im Heer weiter, bis zur gewaltigen Schlacht an der Trollpforte. Nach jenem Tag aber, an dem er wieder in den Krieg zog, sollte es bis zum Firun des Jahres 2026 BF dauern, ehe der Geweihte wieder nach Vallusa zurückkehrte.

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