[12.5] Der Raub

Tagebuch des Oberin Sturmbund
Tagebuch des Oberin Sturmbund
[12.5] Der Raub
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Gespielt am: 09. November 2019

Fast ist der Raub geschafft. Finjan muss nur noch heimlich über die steilen Seitenwände aus der Mine entkommen. Während dieser sich an die Erklimmung macht, stapft aber ein Krieger des Endurium-Korps auf Oberin und Finjans leeren Posten zu. Innerlich betet Oberin zu seiner Göttin. Jetzt steht alles auf dem Spiel.

In der Zwischenzeit war Finjan unbemerkt zur Kiste gelangt und hatte den Sack gefunden. Er öffnete die Kiste, um das Endurium heraus zu nehmen. Er zuckte zurück – es versengte seine Haut. Entschlossen packte er abermals zu, steckte die fünf Brocken in den Sack, band ihn sich um und stieg in den Felsen. Mit seinen schrecklich zerschundenen Fingern zog er sich Meter um Meter hinauf, bis er sich über die Klippen rollen konnte, auf die Füße sprang und im Dschungel verschwand.

Derweil hatte RONdra mein Gebet erhört, denn statt auseinandergenommen zu werden, erhielt ich bloß den Befehl, an der Brücke Wache zu schieben. Der Regen ließ nach. Ich hoffte, Finjan hatte es geschafft, und begab mich nur zu gern zum Tor, weg von all den Knochen von denen trotz unserer Arbeit nach wie vor unglaublich viele an Ort und Stelle lagen. Doch wichtig war jetzt nur, dass niemand etwas bemerkte. Ich sah, wie das Tor der Mine sich öffnete und wandte mich dienstbeflissen ab, um meinen Posten aufzusuchen. Nur ein paar Schritte war ich gekommen, als Dorksteins Brechreiz erregende Stimme über das ganze Gelände hallte: „Antreten!“ Ich war froh, meinen Dienst am Tor anzutreten, doch kaum war ich angekommen, sah ich, wie mein Mann des Endurium Korps mich höchst persönlich zurückwinkte. Fast musste ich meine Füße vorwärts zwingen. Erneut schlug mir das Herz bis zum Hals. Was hatte das wieder zu bedeuten? Ich nahm meinen Platz in der Reihe der strammstehenden Gardisten ein. Nur nicht zur Seite schauen. Dorksteins Blick schien an mir haften zu bleiben. Mit seiner grauenvollen Stimme verkündete er, dass man am kommenden Morgen auf die Jagd gehen werde. Ich beruhigte mich. Das Wort, das er gebrauchte, um die Beute zu bezeichnen, kannte ich nicht. Vermutlich war es nur ein weiteres derbes Schimpfwort in einer mir fremden Sprache für die maraskanischen Rebellen. Dorkstein verlangte nach Freiwilligen. Gleich allen anderen riss ich den Arm empor und brüllte: „Hier!“ Alles konnte nur ein Vorteil sein. Wir übrigen mussten jetzt so rasch wie möglich hier raus, ehe der Diebstahl auffiel, sonst wären wir tot. Im allgemeinen Geschrei hätte man meine Stimme nicht heraushören dürfen, doch ich konnte nicht anders, als mir einzugestehen, dass Dorksteins Blick seinen Griff um mich weiter verstärkte. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Nur mit Mühe konnte ich das Schütteln unterdrücken, das der Gänsehaut folgte.

Dann war es vorbei, alle durften zu ihren Posten. Noch einmal schienen wir dem Tod von der Schippe gesprungen zu sein; nur wie lange noch? Während meiner Wache beobachtete ich unsere Männer, die weiter die Knochen vergruben. Unauffällig wollte ich auf mich aufmerksam machen, doch es klappte nicht. Als ich einen Moment den Helm abnahm, glitt der Blick der Hexe wie eine Sense über meinen kahlen Schädel und jetzt war auch ihr kleines Biest aus den Feldern bei ihr. Mir wurde schlecht. Sie wusste es. Oder sie wusste es sehr bald. Ich verließ meinen Posten, um mich zu erleichtern. Auf dem Rückweg rempelte ich einen unserer Männer an und zischte ihm zu, sie sollten sich beim Tor versammeln. Zugegeben, das war kein durchdachter Plan, aber alles, was mir gerade einfiel. Bis zum Morgen konnten wir nicht mehr warten. Ehe das Praiosrad zum Himmel stieg, wären wir des Todes. Diese Ahnung wurde zur Gewissheit, als ich Perdido Dorkstein bemerkte, der aus irgendeinem Grund auf die Kiste neben dem Stall zu hielt. Dafür konnte es nur einen Grund geben. Alles in mir verkrampfte sich. Unsere Männer versammelten sich beim Ausgang des Hauptplatzes, während Dorkstein die Kiste erreichte.

Draußen hatte der Leutnant sich weit genug durch den Dschungel geschlagen, um ungesehen mit einem beherzten Sprung über die Schlucht zu setzen. Auf der anderen Seite suchte er erfolglos nach unseren Reservetruppen. Im Dschungel war es für Leute von Außerhalb wie uns, ja für Fremdijis, nahezu unmöglich, jemandem im Dschungel aufzuspüren, von dem man nicht ganz genau wusste, wo er sich befand. Finjan hatte nur eine Idee, aber die war brillant! Er fing an, leise zu singen, unsere Dschungelmusik von jenem güldenen Moment, ehe der Dschungel daran ging, uns endgültig aufzufressen. Mein Gebet war von meiner Göttin erhört worden und Finjan wurde ebenfalls gehört, wenn auch von jemand anderem. Orvinio ließ sich unversehens aus einem, der Bäume vor ihm herab. Der Leutnant glaubte, nun würde alles gut, doch so war es nicht. Standhaft weigerte sich Orvinio, ihn zu den Anderen zu führen. Er fürchtete Finjan könnte ein Ungeschaffener sein – oder zumindest schürzte er das vor. Unseren Spion hatten wir schließlich noch immer nicht enttarnt. Letztlich blieb dem Leutnant aber nichts anderes übrig als, als Orvinio das Endurium auszuhändigen, nachdem er von ihm entwaffnet wurde. Unter diesen Bedingungen zeigte sich der Matrose bereit, Finjan zum Lager zu führen – nur um gleich darauf loszustürmen. Finjan jagte hinterher, drohte Orvinio aus den Augen zu verlieren, stolperte beim Laufen über eine Wurzel und schlug der Länge nach hin. Plötzlich hatte er zum zweiten Mal an diesem Tag einen Stiefel im Genick. Seinem Ego kann das unmöglich gutgetan haben. Dann wurde ihm zwangsweise eine Flüssigkeit eingeflößt und es geschah – nichts. Bis er mit einem Mal losgelassen wurde. Kaum wieder auf den Füßen, sah er sich Elikara von Brabak und dem Rest der Mannschaft gegenüber. Aufrichtig entschuldigten sie sich für den Vorfall, doch ihnen war eingeschärft worden, niemandem zu trauen. Ich kann unseren Leuten nur meine Hochachtung aussprechen, so umsichtig gewesen zu sein. Es ist leicht, dem Feind gegenüberzutreten, doch einen Kameraden anzugehen, wo es nottut, erfordert Courage. Und sie wussten nicht einmal, was wir in der Dunklen Grube erlebt hatten. Hätten wir uns nach dem, was wir tun mussten, selbst noch trauen dürfen?

Selbst der sture Neersander sah die Notwendigkeit dieses Manövers ein und verlor kein weiteres Wort darüber. Er befahl Elikara und den Anderen schlicht, das Endurium fortzuschaffen. Er selbst wollte die Samurojins zum Angriff auf die Mine führen, um die verbliebenen Kameraden zu retten.

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