[6.2] Es klabautert

Tagebuch des Oberin Sturmbund
Tagebuch des Oberin Sturmbund
[6.2] Es klabautert
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Gespielt am: 06. Juli 2019

Während Oberin noch über die Bedeutung von Finjans und seinen Inrah Karten grübelt, widmet sich Finjan ihrer eigentlichen Aufgabe an Bord der Seeadler von Beilunk: dem Ausfindigmachen eines Saboteurs in den eigenen Reihen. Alsbald findet er einen Hinweis…

Finjan berichtete mir von einem seltsamen Geschöpf an Bord, das die Gestalt eines Krokodils habe und versucht habe, ihn zu einem Handel zu überreden, auf den er nicht einging. Doch nun ist mein Ring der KGIA fort und Finjan geht davon aus, dieses Geschöpf habe ihn an sich gebracht. Eine reichlich merkwürdige Geschichte, in die wir Klarheit werden bringen müssen, denn vor allem brauche ich diesen Ring zurück.

Aber das war noch nicht einmal das Schlimmste.

Während meiner Spätwache absolvierte ich einen Kontrollgang durch das Schiff, wobei mir auf dem Unterdeck einige aufgeplatzte Kisten auffielen. Ich untersuchte das und fand heraus, dass es Teile der Nahrungsmittel waren, durch und durch verdorben vom Unwasser der Blutigen See. Wie sich herausstellte, waren die gesamten Vorräte davon befallen. Und es handelte sich nicht um einen Unfall. Zumindest eines konnte ich klar herauslesen: das Halteseil der Kisten war nicht einfach gerissen, dafür war die Durchtrennung zu glatt, das Seil war durchgeschnitten worden! Der Verräter hatte wieder zugeschlagen. Sofort meldete ich den Vorfall dem Kapitän, der mich einen der Köche zur Begutachtung des Schadens schicken ließ, wodurch meine Befürchtungen aber lediglich bestätigt wurden. Die Vorräte waren verdorben. Die Rationen mussten gekürzt werden und die Seeadler musste schleunigst neue Vorräte organisieren.

Für Finjan und mich bedeutete dies hingegen, dass wir uns dringend des Problems des Verräters annehmen müssen.

Wir beratschlagten dieses Problem im Ankerspill, wohin wir uns am Gift und Galle spuckenden Fusakel vorbei unter dem Vorwand einer geschäftlichen Verhandlung über unsere Eier begeben hatten.

Tatsächlich waren wir darin übereingekommen, dass es sich bei Lido Kork um den Klabautermann des Schiffes handeln musste. Neben dem Problem mit meinem Ring führte uns dies noch zu einer weiteren Überlegung: Wer wenn nicht der Klabauter wusste über alle Vorgänge an Bord Bescheid? Könnte er uns nicht den Verräter verraten oder zumindest Hinweise auf ihn geben? Da wir selbst nach wie vor keine Anhaltspunkte besaßen, einigten wir uns Finjans Bedenken zum Trotz darauf, es auf den Versuch ankommen zu lassen.

Wir nahmen unser Wissen über Feenwesen zusammen und riefen drei Mal den Namen des Klabauters und baten um eine Audienz.

Zu meiner nicht geringen Überraschung tauchte unmittelbar darauf der Kopf eines Krokodils aus dem Deckel eines Fasses vor uns auf, um sich sogleich darüber zu beklagen, dass wir eine geheime Versammlung ohne ihn abgehalten hatten und dass dies kein guter Ort für geheime Versammlungen sei. Mit der Aufforderung, ihm zu folgen, verschwand das Krokodil wieder in dem Fass. Verwirrt schaute ich zu Finjan hinüber, der das Geschehen mit einer beinahe schon unverschämten Gelassenheit zur Kenntnis nahm, als sei das ein recht normaler Vorgang. Tatsächlich forderte er mich auf, in das Fass zu klettern, das doch sicherlich zu klein dafür war. Ohne sich groß um meinen diesbezüglichen Einwand zu scheren, stieg er eben selbst in das Fass und hieß mich nachkommen. Verwundert sah ich, wie der große Mann in dem Fass verschwand. Ich ging hin und blickte hinein. Unter mir öffnete sich ein Raum, den ich noch nie an Bord gesehen hatte. Wiederum drängte Finjan mich von unten her endlich herabzusteigen. Also tat ich es, so seltsam es auch anmutete.

Ich landete in einem Raum, der viel größer war, als er sein durfte. Ein derartiger Raum hatte nicht einmal an Bord der Seeadler von Beilunk Platz. Und was das für ein Raum war! Er ließ die Kapitänskajüte beinahe wie eine Klosterzelle wirken. Ein regelrecht fürstliches Gemach war es, luxuriös eingerichtet und mit einer der prachtvollsten Buchsammlungen, die mein Auge je erblicken durfte. Die Mehrzahl der Titel muss in Sprachen verfasst sein, von denen ich nicht einmal gehört habe, geschrieben mit Runen, wie ich sie nie sah. Eine Wunderkammer war dies!

Wie viel ich vom Gerede unseres Gastgebers verpasst hatte, der nun nachdrücklich unsere Aufmerksamkeit verlangte, kann ich gar nicht sagen. Er platzierte uns in Sesseln von ungekannter Bequemlichkeit. Die Unterhaltung selbst entwickelte augenblicklich einen etwas sprunghaften Charakter, ganz wie es der Art der Feenwesen entspricht.

Lido Kork gab sich als Kapitän des Schiffes und Chef der KGIA aus, wobei er meinen Ring durch seine Finger laufen ließ. Als wir ihn über den Verräter in Kenntnis setzen, beauftragte er uns damit, diesen aufzuspüren. Als wir ihn nach Hinweisen fragten, um wen es sich denn handeln könnte, erklärte er, es gebe keinen Verräter an Bord, um hinzuzusetzen, seine Leute hätten ihn bereits entfernt. Unser Hinweis, dass wir das nicht getan hatten, brachte ihn etwas in Rage und er forderte uns nachdrücklich auf, unsere Arbeit zu erledigen. Wir appellierten an seine Kenntnis des Schiffes, schmeichelten seinen Fähigkeiten, gemahnten ihn an seine eigenen Interessen, allein alles nützte nichts; wenn er etwas wusste, gedachte er nicht, uns sein Wissen mitzuteilen. Darum wich Finjan darauf aus, magische Kräfte vom Schiffsklabauter zu erhalten, die uns helfen könnten, den Gesuchten zu enttarnen, die Fähigkeit, durch Wände zu schauen oder Gedanken zu lesen etwa. Einem solchen Handel war der Klabauter nicht abgeneigt, solange wir einen unmoralischen Preis zahlen würden, etwas, das uns am Herzen liegt. Ich hätte mir auf die Zunge beißen mögen als Finjan Thalionmel und meine Briefe erwähnte. Noch schlimmer, der Klabautermann begeisterte sich für Sturmbund! Obendrein machte er deutlich, dass nur jemand für seine KGIA arbeiten durfte, der sich über seinen Ring ausweisen konnte. Dieses diebische Schlitzohr!

Letztlich verständigten wir uns darauf, uns den Handel durch den Kopf gehen zu lassen, denn er hatte uns einen goldenen Ring angeboten, der es ermöglichte, Gedanken zu lesen; unsererseits hatten wir ihn weitestgehend davon überzeugt, dass Stoerrebrandts Eier uns viel wert waren, es also ein angemessener Tausch wäre. Dies ist nicht einmal unwahr, denn immerhin hätten sie unseren zukünftigen Reichtum und Einfluss im Perlenmeer begründen können. Dem Feenwesen diese Zukunft im Tausch zu überlassen, sollte ein angemessener Preis sein. Und doch blieben wir unschlüssig ob des beredten Geschwätz des Klabautermanns, der seinerseits auf den Abschluss des Geschäfts oder eine spätere Fortsetzung der Unterhaltung drängte. Darum einigten wir uns auf einen neuerlichen Besuch zu einem späteren Zeitpunkt, um erst einmal unsere Sinne wieder zu sortieren.

Verlassen konnten wir den Raum durch eine Tür. Finjan ging zuerst. Ich ließ meinen Blick ein weiteres Mal sehnsüchtig über die Bücher gleiten und musste dem Klabautermann einfach meine Bewunderung dafür aussprechen, ehe ich selbst durch die Tür trat.

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