Gespielt am: 14. September 2019
Nach dem ungewollten Massaker in Boran tauchen die Helden in den Dschungel Maraskans ein. Oberin ist noch immer erzürnt über die Tragödie und hadert mit sich und der Gruppe. Der zum wahnsinnig werden rote Dschungel verschlimmert die Situation nur.
1.BORon 33 Hal, Dschungel von Maraskan
Am Ende jenen Tages als wir das Schiff überfallen hatten, drangen wir noch weit genug in den Dschungel vor, einen geeigneten Baum auszumachen, den wir für die Nacht erklimmen konnten. Es heißt, dort oben sei es immerhin sicherer als am Boden. An den feuchten Baumstämmen hinauf zu steigen, während unzählige Insekten sich über einen hermachen ist allerdings alles andere als leicht und kann sich als recht schmerzhaft erweisen. Was jedoch losbricht, sobald es dunkel wird, ist unvorstellbar. Ringsumher erhebt sich ein ohrenbetäubender Radau im Dschungel. Das Gebrüll größerer Tiere ist vielleicht beunruhigend, doch das Gezirpe der Insekten ist wahrhaft ohrenbetäubend und nervtötend.
Aber es ist noch vielmehr als das. Es ist, als würde der Dschungel sich um uns zusammenziehen, als wäre er ein Geschöpf, das bei Nacht jagt. Wir sind seine Beute, sind in sein Revier eingedrungen und er will uns jagen und zur Strecke bringen. Alles auf Maraskan will einen töten, der Dschungel vielleicht mehr als alles andere und selbst er erzählt einem vorher seine Geschichten, Geschichten von der Jagd, dem Kampf, dem Sterben und Leben, er erzählt sie in den Leichen der Tiere, die man am Morgen, wenn das Licht zurückkehrt, auf dem Waldboden findet. Der Dschungel tötet ohne Warnung; allein seine Präsenz ist kaum zu ertragen. In der Nacht lässt er einen nicht schlafen, am Tag muss man sich jeden Schritt erkämpfen, gegen die Blätter, Äste, Gräser und Lianen, die er einem entgegenwirft; gegen die Hitze, die er atmet. Dieser Dschungel ist kein Ort, er ist ein Raubtier.
Vor Tagen noch hätte ich es noch als weitere Prüfung meiner Herrin begriffen, eine einfache Aufgabe, nun aber sehe ich mehr darin. Dies ist keine einfache Herausforderung. Es ist unsere Bewährungsprobe, die erste von vielen, ob wir überhaupt noch wert sind, in ihrem Dienst zu stehen, und so müssen wir all das klaglos ertragen, als Buße für das Verbrechen, das wir begangen haben. Finjan tut, als sei nichts gewesen, dabei ist es seine Schuld, dass die Dinge so gekommen sind. Sein Plan war es, und ich habe mich überreden lassen, zum Wohle der Expedition, der wir nun nur Unglück gebracht haben. Zu welchem Preis sind wir aus Boran entkommen? Es ist Finjans Schuld, der seine Männer nicht im Griff hat, Finjan, der sein Enterkommando aus den Augen verloren hat. Und als ich eingreifen wollte, habe ich alles nur schlimmer gemacht.
Und sie tun alle so, als sei nichts gewesen.
Die ganze Expedition leidet unter den Strapazen.
Dieser Ort ist kaum zu ertragen. Das Enterkommando hat dies gewiss verdient. Manche der Anderen hingegen tun mir leid, ganz besonders Sari Treublatt, die jetzt schon stark erschöpft scheint. Wie sollen wir so bloß bis an unser Ziel gelangen?
Gestern erst haben wir die Tuzak-Boran-Straße gequert, kaum ein paar Meilen haben wir damit in ungefähr zwei Tagen Wanderschaft zurück gelegt.
Dabei kam es zu einer unerwarteten Begegnung. Als wir über die Straße wollten, entdeckten wir drei Gehängte, die an einem Ast baumelten, über dem vier Männer lauerten. Es stellte sich heraus, dass die vier Mitglieder der Widerstandsgruppe Diskus von Boran sind. Wir waren ihnen bei der Theateraufführung begegnet. Sie erinnerten sich sogar an uns. Dank Emira-Missabu hielten sie uns nicht für Söldner der Besatzer. Die Gehängten waren Ungeschaffene, wie die Maraskaner sie nannten. Ihre Beerdigung obliegt damit nicht mir; sollen die Aasgeier sie sich holen.
Die Widerständler berichteten uns vom Vorrücken der Ungeschaffenen, und verschafften uns ein paar kleinere Einblicke in den mangelnden Zusammenhalt der Rebellengruppen.
Tapfer sind sie jedenfalls, und unglaublich positive Leute, diese Maraskaner. Man kann sich wohl sogar an ihr Gehabe um die Fremdijis gewöhnen, und könnte sie glatt lieb gewinnen, würden sie einem nicht ununterbrochen auf die Nerven fallen!
In dieser Nacht wurden wir eines Geschöpfes gewahr, das den Baum erklomm, auf dem wir saßen. Es ließ sich nicht vertreiben, da zögerte Finjan kein bisschen, sich darauf zu stürzen. Es scheint fast, als verbringe er zu viel Zeit mit diesen KOR Söldnern, Pottro und Dynar, und finde Gefallen am Blutvergießen. Jedenfalls band er sich ein Seil um die Hüften, das wir hielten, während er sich von der Seite gegen das Tier schwang und ihm sein Schwert in den Rücken rammte. Den ganzen Weg herauf hatte es Laute von sich gegeben, die wie ein gequältes Stöhnen klangen. Im Fallen gab es noch so einen Laut von sich, ehe sein Aufprall auf dem Boden es verstummen ließ. Finjan zogen wir wieder hinauf, sein Schwert hatte das Biest allerdings mit hinab gerissen.
Am nächsten Morgen erfuhren wir nach dem Abstieg, dass es sich um einen Baumwürger gehandelt hatte, einem Bären recht ähnlich, mit langen Armen und Klauen. Finjan hatte sich sein Schwert zurückgeholt, aber dann verhielt er sich merkwürdig. Ich meinte, einen Laut zu hören, dem Stöhnen des Baumwürgers nicht unähnlich, drehte mich um, und sah Finjan, na ja, einen Baum umarmen. Ich sprach ihn an, er sagte gar nichts sei gewesen, doch als er sich zu mir umgedreht hatte, hätte ich für einen Moment schwören können, seine Augen seien weiß gewesen. Stimmt etwas nicht mit ihm? Oder ist es der Dschungel, der uns verrückt macht, der uns alle verrückt macht? Oder ist es das Blut, das an unseren Händen klebt und bereits den ganzen Dschungel um uns herum rot gefärbt zu haben scheint?